Montag, 3. Januar 2011

Sylvester am Strand

Spontan habe ich mich dazu entschlossen, Sylvester mit meiner argentinischen Mitbewohnerin in Las Grutas an der Küste zu verbringen. Roca ist menschenleer, Lisa ist in Beltran und alleine feiern will ich nicht, also warum nicht? Und, wie Lisa meinte, damit lerne ich DEN Urlaubsort der Argentinier kennen. Naja, das wäre wohl zu viel gesagt, Tatsache ist aber, dass Las Grutas zumindest DER Urlaubsort des Valle, also des Tals des Río Negro ist, da es der nächstgelegene Küsten-Badeort ist (500 km). Und so findet man dort auch halb Roca und Villa Regina. Sogar ich treffe in der Menschenmenge in der Sylvesternacht jemanden, den ich kenne.
Sylvester am Strand ist... wundervoll! Das Feuerwerk dauert bestimmt eine Stunde oder mehr bzw. irgendwo fängt immer wieder eins an. Danach leuchtet am Himmel die Milchstraße in all ihrer Pracht, die Sterne spiegeln sich im Wasser, später die Mondsichel. Die Luft ist warm, wir liegen im Sand und kucken die Sterne an, trinken Wein und Sekt, spazieren, tanzen, singen und lachen bis in die frühen Morgenstunden am Strand entlang.
Am nächsten Tag geht es zurück an den Strand und Las Grutas zeigt sich von seiner weniger angenehmen Seite. Menschenmassen über Menschenmassen drängen sich auf dem Strand, schlimmer als ich es selbst in Rimini erlebt habe. Es ist abartig heiß und die Sonne brennt unbarmherzig. Trotz LSF 50, dauerndem Nachcremen und zumindest zeitweiser Aufenthalte im Schatten verbrenne ich mich stellenweise. Das Meer ist freilich fantastisch, relativ ruhig, kühl und sooo weit. Und sobald man den Menschenriegel hinter sich gelassen hat ist es wunderbar zu schwimmen und sich in den Wellen zu drehen.
Doch dann die nächste unangenehme Überraschung: Las Grutas kollabiert unter dem Ansturm der Massen. Von Samstag Nachmittag an gibt es kein fließendes Wasser mehr: Keine Klospülung, keine Dusche, kein Wasser zum Kochen oder Waschen. Nirgendwo. Stellenweise fällt auch der Strom aus, Bars und Geschäfte schließen. Unser Hostel hat Glück, der Strom funktioniert und in den Abendstunden zumindest die Wasserleitung im Garten, die direkt mit einem Wasserresort verbunden ist. Wir waschen uns wie anno dazumal, mit Tassen wird das Wasser über Körper und Haare geschöpft. Am nächsten Morgen gibt es für eine halbe Stunde Wasser, dann ist erstmal wieder Schluss. Später fließt es mit sehr niedrigem Druck zumindest in den tiefer gelegenen Häusern und Stockwerken wieder, aber ich bin dennoch froh, dass ich Mittags mit dem Bus zurück nach Roca fahren kann. Der allgemeinen Meinung der Leute von hier, die ausnahmslos von Las Grutas geschwärmt haben (Que líndo lugar!) kann ich mich nicht unbedingt anschließen, dennoch war Sylvester am Strand einfach fantastisch!

Balneario-Las-Grutas

Sonntag, 26. Dezember 2010

Feliz navidad...

Während Deutschland im Schnee versinkt brennt hier die Sonne bei über 30 °C und geht erst nach 21 Uhr unter. Das hindert die Argentinier aber nicht daran, europäische Weihnachtstraditionen – nach Lust und Laune abgewandelt und bunt vermischt – zu übernehmen. Und so gibt es denn eine weihnachtliche Straßenbeleuchtung, die freilich erst ab 22 Uhr wirklich wahrzunehmen ist, alle erdenklichen Weihnachtsleckereien, obwohl man eigentlich lieber nur Salat und Eis essen würde, Tannenbäume aus Plastik, die dafür aber umso bunter blinken und leuchten und am 23. habe ich durch das 34 °C heiße Roca auch einen Weihnachtsmann in Filzkostüm und Plastikbart stiefeln sehn... Die beste Geschichte hat mir eine Freundin erzählt, in ihrem Heimatort Río Colorado versammeln sich am 25.12. alle Familien an besagtem Fluss und warten darauf, dass „Papa Noel“ in voller Montur im Motorboot über den Fluss gebrettert kommt.
Ich feiere mit Lisa bei ihrer argentinischen „Leihfamilie“. Um viertel nach acht begleiten wir, schick gemacht, wie hier üblich, beide den Gastvater erstmal in den (natürlich katholischen) Gottesdienst. Der Rest der Familie bleibt zu Hause (Sohn 1, studiert Philosophie: „Nietzsche said: God is dead. Sohn 2 redet nicht so viel). Die Kirche ist heiß und stickig und wenig weihnachtlich, immerhin steht in einer Ecke eine in verschiedenen Farben beleuchtete Krippenszene aus Plastik, über der noch eine bunt blinkende Lichterkette aufgehängt ist, sicher ist sicher. Der Gottesdienst ist nicht getragen und festlich wie bei uns, sondern eher fröhlich, gesungen wird mit Enthusiasmus, Geklatsche und Gitarre, die Themen sind aber sonst die gleichen wie bei uns (die Armen haben das Jesuskind als erste gesehen, Jesus kam nicht als wichtige Persönlichkeit, sondern als unbedeutendes Baby usw...). Nach dem Gottesdienst geht es zurück zum Haus wo die Gastmutter schon das Essen vorbereitet hat. Gegessen wird zwar kalt, aber viel und sehr lecker. Außerdem wird reichlich und bis spät in die Nacht dazu getrunken: Ganzia, Rotwein, Sekt, Erdbeersekt, Bier...
Die Geschenke liegen mehr oder weniger unverpackt unter einem kleinen krüppeligen Plastikbäumchen. Man fragt sich ja schon, warum, wenn schon Plastikbaum, der dann auch noch krüppelig sein muss? Aber vielleicht soll das ja dadurch authentischer wirken ;) Jedenfalls ist er zum Ausgleich in allen Farben bunt geschmückt und blinkt. Bescherung ist um Mitternacht, wenn der Weihnachtstag anfängt, da haben sich die Argentinier perfekt zwischen der deutschen und der englischen Tradition arrangiert – komisch, wo der Hauptteil der Argentinier doch italienischer oder spanischer Abstammung ist und da kommen die Geschenke ja eigentlich erst am 6. Januar.
Nach dem Auspacken wird jedenfalls weitergetrunken, gelacht, diskutiert und um 3 Uhr ins Bett getorkelt. Es war schön. Ein bisschen verrückt, wie alles hier, aber schön.baeumchen

Samstag, 20. November 2010

La vida Patagonica

Nach einigen Wochen und etlichen „Beschwerden“, dass ich nie was in meinen Blog schreibe, wird es Zeit, dass ich mich mal wieder melde.... Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht! Mittlerweile plagt mich zwar manchmal ganz schön das Heimweh, aber trotzdem scheinen die Wochen nur so dahin zu rasen und ich habe manchmal Angst, dass ich mit meiner Arbeit nicht schnell genug vorankomme.
Dennoch will ich mir endlich mal Zeit nehmen und über meine Eindrücke vom argentinischen Leben schreiben, besser gesagt vom Leben in Patagonien, wie ich es beobachte, denn bei einem so riesigen Land kann man wohl kaum verallgemeinern und in großen Städten wie Buenos Aires, La Plata oder Rosario soll es ganz anders ablaufen...
Aus verschiedenen E-mails die mich so erreicht haben, schließe ich, dass die meisten von euch sich das Leben hier ziemlich romantisch vorstellen und ganz unglobalisiert. Tja die Wahrheit ist, zum Teil ist es das auch – und zum Teil überhaupt nicht! Die Gegensätze hier zwischen arm und reich, rückständig und modern, friedlich und hektisch sind enorm und das Verrückte dabei ist, dass es keine räumlichen oder sonst wie klaren Trennungen zwischen beidem gibt, sondern alles irgendwie parallel läuft. Das ist schwer zu erklären, aber ein paar Eindrücke möchte ich euch doch schildern.
„Rückständig“... ja manches erscheint einem hier tatsächlich so. Zum einen sind dies Dinge, die ganz klar am Geldmangel festzumachen sind, z.B. die mangelnde Infrastruktur, dazu zählt der schlechte Zustand der Straßen, obwohl da an manchen Stellen auch was dran getan wird oder das undurchsichtige Telefontarifsystem, bei dem ein Anruf in eine andere Stadt, selbst wenn es die gleiche Provinz ist, als Ferngespräch zählt – Deutschland vor 20 Jahren! Dann die schon erwähnte unglaubliche Bürokratie, aber auch der Umgang mit den Ressourcen, die schlechten Agrarpraktiken und die Verschmutzung von Böden und Wasser – wobei gerade hier einer dieser krassen Gegensatz besteht: Zum einen werden pestizidverseuchte Abwässer z.T. einfach in den Fluss oder irgendwelche Kanäle gespült und Altölfässer verrosten einfach irgendwo auf irgendwelchen Feldern. Zum anderen ist aber insbesondere die Plantagenwirtschaft oft hochtechnisiert mit genau abgestimmten Pestizidcocktails, Gefrierschutztechniken bei Spätfrösten und gerade im Kommen – „Precision agriculture“, durch Satellit gesteuerte Landwirtschaft, z.B. Bewässerung.
Und dann gibt es da die Dinge, durch die man sich hier oft in Raum und Zeit zurückversetzt fühlt und die sehr dem romantischen Bild von Patagonien entsprechen, das man sich aus der Ferne oft macht. Ein wichtiger Bestandteil dessen sind natürlich die Gauchos, die es wirklich noch gibt, die Viehhirten, die, oft einsam, mit ihren Pferden und manchmal auch Hunden durch die Gegend ziehen und Rinder oder Pferde von einem Weideplatz zum anderen treiben. Sie haben eine lange, interessante und auch traurige Geschichte, da sie einst zur Sesshaftigkeit gezwungen oder verhaftet wurden, haben aber die argentinische Kultur mit Liedern, Literatur und Gebräuchen nachhaltig beeinflusst. Neulich konnte ich miterleben, wie ein paar Gauchos eine Herde Pferde eintrieben – ein wunderbares Schauspiel bei dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Aber auch anderes, nicht ganz so romantisches würde ich nicht als rückständig bezeichnen wollen, obwohl es im globalisierten und hochwirtschaftlichen Europa undenkbar wäre. So gibt es hier zum Beispiel noch einige Berufe, die in Europa wegrationalisiert wurden wie etwa den Tankwart, den Fährmann oder den Autoputzer und noch mehr, die mir aber gerade nicht einfallen wollen. In den Städten, zumindest den nicht ganz so großen oder touristischen, gibt es neben den unvermeidlichen Supermärkten auch noch die vielen kleinen Läden: Das Obst- und Gemüsegeschäft, den Brotladen, die Metzgerei, kleine Kioske und Tante-Emma-Läden usw. Und auch die Kleidungsgeschäfte sind keine Ketten sondern stets eher kleine, individuelle Läden unterschiedlichster Qualität – vom Ramschladen mit chinesischer oder koreanischer Importware bis zur exklusiven Boutique mit handgeschneiderter Kleidung. Nach seiner Größe muss man grundsätzlich fragen, H&M ist hier nicht!!!
Doch wie gesagt, andererseits ist das Leben hier auch total globalisiert und was man so modern nennt. Einer der wichtigsten Faktoren im Leben eines bzw. einer modernen Argentinierin ist – facebook! 62% aller Argentinier nutzen facebook und stehen damit auf Platz 1 in Südamerika und Platz 5 in der Welt! Natürlich ist facebook in einem Land, in dem Verwandte oder Freunde oft mehrere hundert km auseinander wohnen ein nützliches Kommunikationsmittel. Allerdings nimmt der facebook-Kult hier Ausmaße an, die einem schon auf die Nerven gehen können. So verbringt etwa J, bei der ich wohne täglich min. 1-2 Stunden in facebook und trifft dort auch Freunde und Arbeitskollegen, die ebenfalls hier in Roca wohnen. Facebook ist ein ständiger Begleiter, sogar mit dem Boss wird dort gechattet. Und weil sich das halbe Leben in facebook abspielt, wird auch von allen alles und jeder ständig fotographiert mit scheinbar keinem anderem Gedanken, als die Bilder noch am gleichen Tag in facebook einzustellen – um Erlaubnis, ob eine Person denn auch möchte, dass Bilder von ihr im Internet landen, wird dabei natürlich nicht gefragt. Auch in anderen Dingen sind die Argentinier, zumindest die mittelständischen, ziemlich „modern“. So ist etwa Heiraten unter den jungen Argentiniern ziemlich verpönt. Das hängt wohl auch mit den Schwierigkeiten einer Scheidung, besonders nach einer kirchlichen Hochzeit, zusammen, aber auch Scheidungen sind hier nicht unüblich. J bezeichnet auch ihren Exfreund als „Ex-husband“, die Definition von Ehe bezieht sich also eher auf die Länge und Intensität der Beziehung und weniger auf den Trauschein. Dementsprechend gibt es auch viele allein erziehende Eltern und „uneheliche“ Kinder, ohne dass das, zumindest auf den ersten Blick, ein Problem zu sein scheint.
Allerdings ist meine Vermutung, dass das bei den Argentiniern der unteren Schichten, die z.T. kaum Bildung haben, noch ganz anders aussieht. Zum Beispiel kennt Lisa eine junge Frau, die leicht geistig zurückgeblieben ist, aber einfach als Teenager mit einem 40 Jahre alten Mann verheiratet wurde. Solche Schicksale scheinen auf dem Land bei den einfachsten Arbeitern leider nicht unüblich zu sein, zudem heiraten in den abgelegeneren Dörfern wohl auch häufig sehr nahe Verwandte. „In jeder Generation ein bisschen dümmer“ sagt Lisas argentinischer Gastgeber manchmal. Traurig, aber solange sich das Bildungssystem nicht erheblich verbessert, wird sich wohl auch an diesen Zuständen nichts ändern. Das Schulsystem ist hier auch ziemlich katastrophal. Lehrer verdienen ein Minimalgehalt und in den größeren Städten soll es öfter Streiks geben, weil die Mittel für den Unterricht vorne und hinten nicht reichen. Immerhin gibt es jede Menge kleine Dorfschulen (die haben keine Namen sondern sind durchnummeriert!!), so dass zumindest von der Infrastruktur her jedes Kind zur Schule gehen kann, eine durchgesetzte Schulpflicht wie bei uns, gibt es aber meines Wissens nach nicht. Außerdem kann quasi jeder unterrichten – eine besondere Ausbildung braucht man dafür nicht, so dass die Qualität des Unterrichts wohl auch sehr variabel sein muss.
Dementsprechend gehen besser gestellte Kinder auch vorzugsweise auf Privatschulen – und bitte schön nicht mit den „negros“ oder „indios“ wie die einfachen Arbeiter hier auch verächtlich wegen ihrer meist dunkleren Hautfarbe und dem Mapucheeinschlag genannt werden. Hier gibt es nämlich durchaus so etwas wie eine Rassentrennung zwischen den europäischstämmigen, meist besser gebildeten Argentiniern und denjenigen mit Mapuchevorfahren, die meist Landarbeiter sind oder in den Randbezirken der Städte wohnen. Über diese Trennung wird aber nicht gesprochen, sie ist natürlich auch nicht gesetzlich, durchzieht aber mehr oder weniger deutlich fast alle Bereiche des täglichen Lebens.
Eines was aber Argentinier aller Schichten und Herkünfte verbindet, ist das Matetrinken, das von den Gauchos stammt. Es trinkt zwar nicht jeder Mate, aber doch die Mehrheit, egal ob Universitätsdozent, Journalistin, Landarbeiter, Angestellter. Beim Matetrinken werden getrocknete und zerkleinerte Blätter des Strauches Ilex paraguayense, die „Yerba Mate“ in ein Trinkgefäß, das ebenfalls Mate heißt und aus einem ausgehöhlten kleinen Kürbis gemacht wird, gefüllt und mit heißem Wasser aufgegossen. Getrunken wird dann aus einem Strohhalm aus Silber oder Bambus, der „Bombilla“. Dabei – ganz wichtig – trinken alle aus dem gleichen Strohhalm und Mate. Man trinkt aus und reicht den Mate an den Mateausschenker zurück, der wieder heißes Wasser eingießt und den Mate an die nächste Person weiterreicht usw. Mate schmeckt ziemlich bitter, ein bisschen wie grüner Tee finde ich, aber man gewöhnt sich daran und die ganze Zeremonie ist einfach schön.
Ansonsten hat sich die Globalisierung leider auch auf die Essgebräuche ausgewirkt. Naja, natürlich ist Argentinien ja sozusagen von Natur aus ein „globlisiertes“ Land, schließlich stammen die Einwohner aus Italien, Spanien, Deutschland, der Schweiz, Großbritannien, Polen und anderen Ländern und deren Gebräuche und Gewohnheiten vermischten sich mit denen der verschiedenen einheimischen Kulturen. Leider haben aber, was das Essen angeht, nicht nur die besten Traditionen überlebt. Es gibt zwar sehr gutes Eis und in den Restaurants auch sehr gutes Essen unterschiedlicher Herkunft und natürlich das qualitativ meist sehr hochwertige Fleisch, das die Argentinier, das muss man ihnen lassen, auch wirklich gut zubereiten. Aber große Mängel bestehen leider beim labbrigen oder trockenen Brot (selbst Baguette kriegen die meisten Läden nicht richtig hin), das die Argentinier aber zu absolut allem essen. Außerdem gibt es im täglichen Leben, zwar nicht bei J, aber insgesamt, wenig Gemüse und oft auch einfach Fast Food. Zwar sind McDonalds und Co außerhalb der ganz großen Städte glücklicherweise nicht zu finden, werden aber ersetzt durch Empanadas (mit Fleisch gefüllte, frittierte Teigtaschen – je nachdem lecker aber sehr fettig) oder irgendwelchen labbrigen Sandwiches, Pizza etc. Was auffällt ist, das viele Argentinier sehr schlechte Zähne haben – kein Wunder bei DEM Konsum von Dulce de Leche, einer Karamellcreme die einfach mit allem gegessen wird: Aufs Brot, zum Eis, im Kuchen, zum Obst, auf Cracker oder Kekse gestrichen oder einfach pur gelöffelt! Die Schokolade dagegen ist leider entweder importiert und sehr teuer oder es gibt Tafeln „mit Schokoladengeschmack“, die nur Kakaopulver und keine Kakaobutter enthalten und wie Fettglasur schmecken – bäh.
Uff, mir nichts dir nichts sind es hier fast drei Seiten geworden und dabei bin ich noch gar nicht dazu gekommen, über das Leben der Frauen hier zu schreiben, ein auch sehr interessantes Thema. Das wird nachgeholt, aber um mit ein paar positiven Gedanken abzuschließen: Befinde mich gerade mal wieder in Bariloche, der Hauptstadt der Schokolade hier. Hier schmeckt sie auch und vor allem gibt es die vielleicht beste heiße Schokolade ganz Argentiniens! Am Mittwoch kommt Stefan und dann fahren wir in den Urlaub: Südpatagonien mit Chile und El Calafate stehen auf dem Programm!
Hasta luego, entonces!

Freitag, 1. Oktober 2010

Un poco loco

Heute bin ich genau drei Wochen in Patagonien und konnte mir mittlerweile einen recht guten Eindruck verschaffen. Es ist alles ein bisschen anders hier, „un poco loco“, ein bisschen verrückt, ist eines unserer geflügelten Wörter geworden, ein anderes, das Lisa schon aus dem letzten Jahr mitgebracht hat ist „así es la vida“, so ist das Leben.
Das kann einen manchmal in den Wahnsinn treiben hier: all die ganzen Vorschriften und Regelungen, die hundert Papiere, die man braucht: zum Autofahren, für die Versicherung; die vielen Zäune und Tore: alles „privado“, die durchgedrehten Hunde, die schlechten Straßen, die merkwürdigen Lebensmittel und Essgewohnheiten (dazu ein anderes Mal mehr)...
Andererseits ist es auch wunderbar, anders, leicht, lebendig: Die Schrottkarren, die scheinbar nur noch von ein oder zwei Schrauben zusammengehalten werden, der PickUp, der ein Rudel Hunde auf der Ladefläche über die Landstraße transportiert, der Zug, der einmal täglich unter minutenlangem Gehupe durch Roca fährt, der alte Mann, der mit seinem Pferdekarren die Müllsäcke einsammelt, die endlosen Reihen von Wasserflaschen vor dem Schrein der Difunta Correa, der Heiligen der Fernfahrer, die hilfsbereiten Menschen...
Was einem nahe geht sind die ärmlichen Verhältnisse in denen manche Menschen hier leben – es ist vermutlich nicht so schlimm wie in anderen Ländern Südamerikas, aber wenn man die winzigen, einräumigen Katen sieht, die auf jeder verdammten Obstplantage stehen, in denen dann Arbeiter mit Frau und Kind auf pestizidverseuchter Erde hausen und das eine Feld bewachen, das ihnen nicht mal gehört, dann fühlt man sich schon betroffen. Genauso muss man die Augen verschließen vor den die vielen, vielen verwahrlosten, mageren und häufig kranken Tieren, vor allem Straßenhunden, die einem auf Schritt und Tritt begegnen. Die Straßenhunde haben außerdem die unangenehme Angewohnheit einfach auf die Landstraße zu laufen und dort nach was Essbarem zu suchen. Einmal ist uns schon einer vors Auto gelaufen... glücklicherweise sah es aus, als ob er weiterlaufen konnte.
Nach wie vor wechsele ich alle paar Tage meinen Wohnsitz. Im Moment sitze ich im Wohnzimmer einer echten Estancia, eines alten argentinischen Landguts, in der Nähe von Choele Choel. Hier lebt Lisas „argentinische Zweitfamilie“, ein Ehepaar Anfang-Mitte 50 in einem wunderschönen alten Haus mit 3,50 m hohen Türen, gemusterten Fliesen, Kamin, Ofen und Kronleuchtern. Die beiden haben eine Farm mit allem drum und dran, er arbeitet zusätzlich noch tagsüber in einer Schlachterei, um das Studium des älteren Sohnes in Buenos Aires zu finanzieren. Sie arbeitet ab und zu in der Dorfschule als Englischlehrerin (sie hat englische Vorfahren, er deutsche), kümmert sich ansonsten aber um Küche, Haus und Gäste wie uns, die hier immer mal wieder ein Zimmer mieten.
Obwohl die beiden sehr lebendig und redefreudig und auch un poco loco im besten Sinne sind scheint hier irgendwie die Zeit still zu stehen. Das merkt man schon, wenn man auf das Haus zufährt: vor dem alten Gemäuer, von dem langsam die rosa Farbe abbröckelt, steht ein riesiger Eukalyptusbaum, der sicher auch schon einiges gesehen hat. Neben dem Haus ein altes Windrand, im Garten eine langsam zerfallende Kutsche, sicher an die hundert Jahre alt. Neben der Pferdekoppel bearbeitet ein „Knecht“ mit einer Hacke den Boden. Im Haus dann die alten Möbel, Bilder, Gerätschaften, Türen und abends prasselt im Kamin ein Feuer. Man fühlt sich wie in einem Isabel Allende-Roman...
Alles Fleisch, das hier auf den Tisch kommt ist selbst produziert, sogar Wurst und Schinken werden selbst gemacht und sind einfach köstlich. Es ist so schön friedlich hier, ich könnte ewig bleiben, Pferde streicheln, mit dem jungen Hund mit den supersüßen flauschigen Ohren spazieren gehen und Lisa bei ihrer Arbeit helfen. Nur leider muss ich heute wieder zurück in das ziemlich hektische Roca, denn auch meine eigene Arbeit ruft. Lisa werde ich erstmal hier zurücklassen, leider überlappen sich unsere Untersuchungsgebiete nur zum Teil. Aber in ein bis zwei Wochen werde ich sie wieder einsammeln und dann hoffentlich ein paar Tage länger bleiben. Darauf freue ich mich schon...
Ach ja, neulich beim Frühstück im Hotel Austral steckte mir der Kellner einen Zettel zu:
"Me gusta su sonrisa. No la pierda nunca."
Sonnenuntergang auf der Estancia

Sonntag, 19. September 2010

Von Obstplantagen und der Schweiz Argentiniens

Seit gut einer Woche bin ich jetzt in Patagonien.... Meine Tage sind so ausgefüllt, dass ich kaum zum Schreiben komme, auch wenn es quasi überall kostenloses WiFi gibt, das ist also kein Problem. Es gäbe so viel zu erzählen, so viele Eindrücke, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll... So langsam fange ich an mich einzugewöhnen. Der Jetlag ist weg und von Tag zu Tag verstehe ich ein paar Brocken mehr, von dem was die Argentinier so reden und kann selbst auch die Wörter zu zunehmend sinnvolleren Satzfetzen zusammenfügen. Insgesamt fällt mir das alles aber noch ziemlich schwer. Auch meine Haut gewöhnt sich langsam an die sehr trockene Luft hier. Bei nur etwa 20% Luftfeuchtigkeit muss man besonders am Anfang aufpassen, dass einem Lippen und Hände nicht aufreißen, ohne Labello geht hier gar nichts. Auch die Nasenschleimhäute trocknen schmerzhaft aus und die Augen brennen. Typisches Steppenklima, auch die Temperaturen: Nachts, bei Wind und im Schatten noch sehr kalt, aber in der Sonne schon mal über 20 °C und dann ist auch LSF 30 angebracht.
Bis Freitag war ich also in General Roca. Jeder Tag begann dort mit einem café con leche und einigen medialunas (kleine, süße Croissants) in der Bar des Hotel Austral. Dann ging es jeden Tag irgendwie, irgendwo an den Río Negro. Meist hatten wir super Wetter und so sind auch die ersten Fotos entstanden, so auch das Titelfoto des blogs! Ausgerechnet an einem Tag, als wir mit dem Boot unterwegs haben hat es aber auch in Strömen geredet und wir sind klatschnass und völlig verfroren abends wieder zurückgekommen. Danach war Lisa erstmal vier Tage krank...
Und so sieht es hier aus: Im Tal, dem „valle“ (sprich wasche) der wunderschöne Fluss mit dem Bewuchs aus Weiden, Pappeln, Sträuchern, rundherum Landwirtschaft mit Obstplantagen über Obstplantagen und dahinter die mesetas, die Hochebenen, die steil aufragen. Darauf ist nur noch Steppe. Man muss es sich vorstellen wie am Nil: Ein grünes Band in einer ansonsten kargen und trockenen Landschaft. Ansonsten scheint hier alles sehr rechtwinkelig. Die Orte sehen von oben aus wie Schachbretter, die Straßen sind wie mit dem Lineal gezogen. Für Leute wie mich, die bei der Verteilung des Orientierungssinns quasi leer ausgegangen sind eine Katastrophe. Auch die Verkehrsordnung ist interessant. Es gibt eine, viele halten sich sogar daran, nur ist sie für Nicht-Argentinier völlig undurchschaubar. Grundsätzlich gilt rechts vor links aber je nach Größe der Straße (oder auch des Fahrzeugs) ändert sich das und in Kreiseln ist es genau umgekehrt. Außerdem gibt es jede Menge Einbahnstraßen, die aber auch nicht unbedingt als solche gekennzeichnet sind. Geschwindigkeitsbegrenzungen werden grundsätzlich ignoriert, es ist dementsprechend dann auch beinahe lebensgefährlich sich dran zu halten. Anders sieht das mit den Verkehrspolizisten aus, die an jedem Ortsein- und Ausgang auf der Straße stehen, die sollte man nicht ignorieren, sogar die Argentinier bremsen da runter.
Links und rechts der Landstraßen sind dann die Obstplantagen ebenfalls schön rechtwinkelig angeordnet. Sie erstrecken sich bis zum Fluss und zum Teil sogar bis zu den mesetas, den Hochebenen.
Grundsätzlich gilt hier: Betreten verboten! Egal, ob es sich um die Obstplantagen oder die menschenleeren Steppenflächen handelt, alles ist eingezäunt. Ich finde das sehr schade, bei so einem großen und beinahe menschenleeren Land!
Seit gestern sind wir in Bariloche, am Nahuel Huapi See. Diese Gegend wird auch die „Schweiz Argentiniens“ genannt und sie tuen allerlei, um diesem Ruf gerecht zu werden. Kitschige Häuser im „Schweizer Stil“ prägen das Bild Bariloches. Nun ja, besonders authentisch wirkt das auf eine Deutsche nicht unbedingt. Außerdem ist Bariloche die Hauptstadt der argentinischen Schokoladenproduktion, es gibt an jeder Ecke Schokoladenläden, die zum Teil riesige Supermärkte sind, nur mit Schokolade. Die ganze Stadt ist also sehr touristisch, aber die Umgebung ist wirklich wunderschön, mit dem riesigen See und der Andenkulisse mit den schneebedeckten Gipfeln dahinter. Ich hoffe, ich werde heute mehr davon zu sehen bekommen...

Samstag, 11. September 2010

Ankommen

Mit einer Stunde Verspätung startet mein Flug nach Neuquén. Mittlerweile bin ich wirklich todmüde und freue mich darauf im Flugzeug endlich eine Stunde oder so schlafen zu können. Doch daraus wird nichts. Kaum hat meine Sitznachbarin mitgekriegt, dass ich quasi kein Spanisch kann (jedenfalls nicht nach 35 Stunden fast ohne Schlaf) fragt sie mich nach meiner Herkunft und beginnt ein Gespräch auf Deutsch – sie selbst ist nämlich Halbösterreicherin! Maria, so heißt sie, ist etwa 50 Jahre alt, ihr Vater kommt aus dem Kleinwalsertal, sie selbst ist erst in Argentinien aufgewachsen, dann ein paar Jahre in Österreich zur Schule gegangen und schließlich wieder zurück nach Argentinien gegangen und hat dort geheiratet. Sie lebt in Neuquén, aber ihr Sohn studiert in Buenos Aires, deshalb war sie dort. Sie ist sehr nett, bereits nach 10 Minuten habe ich ihre Karte und eine Einladung mal für ein paar Tage nach Neuquén zu kommen und bei ihr zu wohnen. Sie erzählt mir auch alles mögliche sowohl über Patagonien als auch über sich selbst, sehr spannend, nur leider bin ich viel zu müde um alles aufzunehmen.
Endlich in Neuquén angekommen heißt es dann nochmal warten – auf’s Gepäck und darauf, dass kontrolliert wird, dass auch ja keine Lebensmittel im Gepäck sind, von Provinz zu Provinz darf man die nämlich auch nicht mitnehmen. Die Wirtschaft ist hier so stark von der Fleischproduktion abhängig, dass es eine Riesenangst vor Tierseuchen gibt.
Naja, Ilona und Lisa warten jedenfalls schon auf mich und begrüßen mich lautstark mit einem „Willkommen in Patagonien“. Noch schnell von Maria verabschieden und dann fahren wir los. Ilona und ich wohnen im Hotel Austral, das ist für ein Zwei-Sterne-Hotel sehr anständig und vor allem gibt es kostenloses WiFi. Wir wollen noch einen Happen essen, aber ich bin so müde, dass ich ein paar Mal neben das Glas greife und mir ist leicht schwindelig. Mittlerweile sind es 40 Stunden wach sein... wie schaffen Mediziner bloß 48-Stunden-Schichten? Das ist mir nun völlig unbegreiflich...

Freitag, 10. September 2010

Flug Paris-Buenos Aires

Ich habe ein Riesenglück und sitze neben einem total netten Paar aus Deutschland, die schon öfter in Argentinien waren und jede Menge Tipps für mich haben. Die beiden haben ein Wohnmobil ca. 70 km südlich von Argentinien stehen und erzählen mir, dass sie seit ein paar Jahren das Sommerhalbjahr in Deutschland und das Winterhalbjahr in Südamerika verbringen. Für dieses Jahr haben sie sich besonders die Wasserfälle von Iguacu, Ecuador und Galapagos vorgenommen. Mit dabei ist auch immer ihr Pinschermischling, den ich am Ende in Buenos Aires sogar noch kurz zu Gesicht bekomme. Natürlich frage ich mich, wie die beiden das eigentlich organisieren und finanzieren, für Rentner sind sie jedenfalls noch zu jung.
Sonst ist der Flug eine ziemliche Qual, besonders die ersten Stunden ziehen sich zäh wie Kaugummi. Die Sitze sind echt hart, eng und unbequem. Einmal schläft mir das rechte Bein komplett ein, später tut mir einfach nur noch alles vom Kreuz abwärts weh. Zu allem Überfluss wird mir nach etwa vier Stunden Flug auch noch richtig schlecht und dann werden auch noch Turbulenzen angekündigt! Die sind dann aber glücklicherweise doch nicht so schlimm. Komisch, sonst werde ich ja nie reisekrank, nichtmal auf Fähren- oder stundenlangen Busfahrten. Vielleicht ist’s aber auch das merkwürdige Curry, das sie uns zum Abendessen serviert haben, meiner Nachbarin geht es jedenfalls auch nicht besonders gut.
Auch der schlimmste Flug nimmt aber mal ein Ende und wenig ausgeschlafen komme ich gegen acht Uhr Ortszeit in Buenos Aires an. In Deutschland ist es jetzt schon eins, aber wegen der langen dunklen Nacht kommt es einem gar nicht so vor (der Zeitunterschied beträgt im Moment fünf Stunden, nach Ende der Sommerzeit in Deutschland werden es nur noch vier sein). Jetzt bestätigt sich, was mir schon vorher oft gesagt wurde: in Argentinien ticken die Uhren etwas anders. Die Passkontrolle dauert etwa ne dreiviertel Stunde, die Gepäckausgabe geht zwar schnell, dafür muss man dann aber nochmal eineinhalb Stunden anstehen, um seine Sachen nochmal auf Lebensmittel o.ä. durchleuchten zu lassen. Mittlerweile bin ich ganz froh, dass mein Anschlussflug nach Neuquén erst abends geht. Ich nutze die Zeit aber, um gleich bei der Gepäckausgabe zu einem unmöglichen Wechselkurs Geld umzutauschen, ich überlege zwar kurz, ob ich noch warten und kucken soll, ob es hinter dem Zoll billiger ist, aber die Entscheidung war richtig: Kostet genauso viel. Erst am kleinen „Aeroparque“, von dem mein Flug nach Neuquén geht, ist es dann billiger. Zunächst einmal suche ich nach dem bei der Gepäckausgabe beworbenen recht günstigen offiziellen Taxi- und Minibusservice. Da ich den nicht finde, nehm ich dann doch die zentral platzierte aber sehr teure Taxivermittlung – was soll’s! Als dann aber der Angestellte, der mich zu meinem Taxi bringt, von mir für 50 m ungefragtes Gepäckwagenschieben 5 Euro Trinkgeld fordert ist es mir doch zuviel. Wegen seiner Dreistigkeit (laut letztes Jahr erschienenem Reiseführer sind 2-5 Pesos normal) gebe ich ihm 2 Pesos (40 Cent) und er zieht beleidigt ab. Der Taxifahrer ist dafür sehr nett, zwar typisch argentinisch schweigsam, aber er erzählt mir doch ein bisschen was über den Río de la Plata an dem wir vorbeifahren (schmalste Stelle 90 m breit, breiteste über 300 km). Die Fahrt dauert auch nochmal fast ne Stunde. Am Aeroparque angekommen kann ich glücklicherweise schon mein Gepäck aufgeben, obwohl mein Flug erst in sechs Stunden geht. Was tun mit der Zeit? Ich folge dem Rat meiner Sitznachbarn und gehe aus dem Flughafen raus über die Straße direkt ans Ufer des Río de la Plata. Echt beeindruckend – wenn man es nicht wüsste, würde man denken, es wäre ein Meer. Mit Rucksack und Laptop ein bisschen zu schwer beladen spaziere ich die Promenade entlang, es gibt sogar so eine Art Minipark mit Balustrade an der mehrere Leute am Angeln sind. Auch eine Gruppe Jugendlicher, die leicht indianisch aussehen, ist dabei, ab und zu beäugen sie mich neugierig, denn ich habe mich auf eine Bank gesetzt und genieße Sonne, Ausblick und Vogelrufe. Alle haben Thermoskannen um sich herumstehen und ein Mädchen sehe ich sogar mit dem silbernen Strohhalm im Mund – meine erste Matetrinkerin! Langsam kriege ich Hunger, es gibt einen Stand an dem eine Art Wurst und dazu lecker aussehende selbstgemachte Salate angeboten werden, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich meinem reisegeplagten Magen argentinische Straßenkost schon zumuten kann. Außerdem habe ich heute schon mehrmals gemerkt, dass mein Spanisch für eine Konversation die über „Wie heißt du?“ und „Woher kommst du?“ hinausgeht noch nicht reicht. Erfahrungsgemäß dauert es so ein bis drei Wochen bis ich mich an einen Sprachklang soweit gewöhnt habe, dass ich einigermaßen folgen kann und mich dann auch einigermaßen artikulieren kann. Also gehe ich wieder rein und begebe mich im Flughafen auf die Suche nach was bezahlbarem Essbaren. Schwierig, aber es bewahrheitet sich noch eine Weisheit meiner Flugnachbarn: Auf Gemüse wird in Argentinien kein großer Wert gelegt. Das ist vermutlich der Grund, warum ein großer bunter Salat immer noch 5 Pesos weniger kostet, als das billigste Sandwich. Mir soll’s recht sein! Dazu noch meine erste Empanada und der Magen ist erstmal gefüllt. Während ich dann so sitze und esse, fällt mir das hohe Securityaufgebot auf. In diesem kleinen Flughafen sind unglaublich viele Polizeibeamte unterwegs. Sogar hier im Essensbereich schleichen dauernd zwei voll bewaffnete Männer um die Tische.
Noch drei Stunden bis zum Abflug. So langsam machen sich die fast schlaflose Nacht und der Jetlag doch bemerkbar. Weil ich das Gefühl habe, ein bisschen Ruhe zu brauchen, hole ich mir einen Milchkaffee und setze mich im ersten Stock des Flughafens hinter einen geschlossenen Verkaufsstand gegenüber einer Glasfront einfach auf den Boden. Von dort hat man einen tollen Blick in den Kronenraum von mehreren Akazien, in denen sich Vögel tummeln. Bisher hatte ich nur Tauben und Spatzen gesehen – nicht gerade spannend. Aber jetzt tummeln sich auch einige Vögel, die mir gänzlich unbekannt vorkommen, schillernde schwarze, mittelgroße braune und auf einmal schießt ein etwas mehr als amselgroßer Vogel mit quittengelber Brust vorbei. Sofort schießt mir „Pirol“ durch den Kopf, aber gibt es die hier überhaupt? Ich habe keine Ahnung, vermutlich aber nicht. Wenig später stelle ich fest, dass der Vogel sein Nest direkt im Baum vor mir hat und es ist definitiv kein Pirol denn er hat braune Flügel. Im Hintergrund glänzt der Río de la Plata und macht seinem Namen so alle Ehre („Silberfluss“). Der Name entspringt, wie auch der Argentiniens („Silberland“) der übersprudelnden Fantasie der europäischen Konquistadoren, die einst in Südamerika unermessliche Reichtümer vermuteten...
Der Akku meines Laptops hat seine Kapazität erschöpft, das nächste Mal werde ich wohl erst in General Roca was schreiben können.

Freitag, 10. September 2010

Kathi in Patagonien

Fünf Monate lang werde ich am Río Negro in Patagonien leben und Felddaten für meine Masterarbeit sammeln.
Ich untersuche die Veränderung der Vegetation durch die Ausbreitung europäischer und asiatischer Baumarten, vor allem Weiden. Dafür verwende ich Satellitenbilder, für die vor Ort Referenzdaten gesammelt werden müssen. Deshalb bin ich gemeinsam mit der Doktorandin Lisa entlang des Río Negro mit Auto, Boot und auf Schusters Sohlen unterwegs und kann so das Land meiner Kindheitsträume erkundigen – Patagonien!

Kathi in Patagonien

Wind, Weite, Weiden

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Sonntag in Herfod
Hallo Kathaline, velen Dank für Deine interessanten...
uh - 3. Okt, 06:37
Das Haus klingt ja echt...
Das Haus klingt ja echt super. bin sehr neidisch ;)
brüd_rüd - 2. Okt, 08:01

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